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Internet und Information (Überinformation)

Internet. Seit ein paar Jahren ein großes Schlagwort. Ein Weg zu neuen Möglichkeiten des schnellen Zugriffs zu ungeheuren Informationsmassen. Es soll die Kommunikation transparent und allgegenwärtig machen. Von ihm erhofft man sich die Rettung von verschiedenen Weltproblemen wie Arbeitslosigkeit oder wirtschaftlichen Krisen. Für ein naives Verständnis wird Internet als allwissendes und unzerstörbares System dargestellt. Wer aber einen kurzen Kontakt mit Internet hatte, erlebte meist nach kürzen Enthusiasmus eine Enttäuschung. Man wird Mitten in ein Jungel von Informationen geworfen, die die Fülle und Verschiedenheit der Informationen zeigen, aber wenn es auf eine bestimmte Information ankommt, ist gerade diese Information nicht auffindbar oder unzureichend. Man surft, blättert wahllos in verschiedenen Webseiten, liest doch nichts zum Ende, springt da und zurück, bis man sich schließlich nach ein paar Stunden mit Kopfrauschen oder Augenschmerzen im Ausgangspunkt befindet. Die Zahl der gewonnen Informationen ist gleich Null. Auch wenn man etwas interessantes gesehen hätte, hat man es übersprungen in Automatismus alle "Links" anzuklicken. Die Suchmaschinnen bringen hier keine Abhilfe. Auf eine Anfrage bekommt man ein paar tausend Einträge, die inhaltlich mit dem gesuchten Begriff nichts zu tun haben. Seiten mit Werbung, Trivialitäten und vielleicht gut gemeinte Orientierungsseiten mit Hunderten von "links" und gleichzeitig nichts aussagend. Die Gewißheit, daß die gewünschte Information doch vorhanden ist, treibt fast bis zum Wahnsinn. Die Anzahl an Internet angeschlossen Komputer wächst seit ein paar Jahren expotentiell, ungefähr 2 mal mehr pro Jahr. Die Folgerung, daß mit der Anzahl der Komputer auch die Information wächst ist falsch und irreführend. Es wächst nur die Überinformation, also einfach gesagt, die Menge der Information, die die Aufnahmekapazität der Menschen so überstiegt, daß aus allen ein unsinniges Rauschen entsteht. Ich habe bis jetzt mehrmals das Wort Information verwendet. Der Begriff wird oft definiert als "Wissen über etwas". Es ist wie selbstverständlich doch kein Mathematiker oder Informatiker wird etwas mit der Definition anfangen können. Wie kann man das Wort "Wissen" mathematisch ableiten. Information kann man nicht messen und in keine anderen physikalischen Größen umwandeln. Sie hängt offensichtlich von Kontext ab und derjenigen für den die Information bestimmt ist. Kann es überhaupt eine Information ohne ihren Empfänger geben? Wird dieser Text zu Information (zu welchem auch immer), ohne es von irgendjemanden gelesen zu werden. Es klingt vielleicht wie eine von der vergessenen philosophischen Fragen: "Kann es einen Tisch geben, wenn ihm niemand sieht?". Die Fragen sind vielleicht nicht so weit entfernt, weil beide der menschlichen Wahrnehmung betreffen.^ Die Frage des Tisches ist hier für "vernünftige" Menschen einfach, weil man den Tisch wiegen und mit z.B. Elektronenmikroskop untersuchen kann, mit der Information kann man es nicht.

Hier ein einfaches Beispiel. Eine Information als ein Satz "O Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter". Man könnte spontan sagen: Informationsgehalt dieses Satzes ist extrem gering und für jedes Kind verständlich. Ein kühler Hobby-Informatiker wird vielleicht 40 Bytes ausrechnen. Was heiß es aber verständlich. Um dieser Satz zu verstehen muß man deutsche Grammatik kennen und wissen, was ein Tannenbaum und Blättern sind (Kontext der Erde als Homosphere). Nachdem kann man sich vielleicht wundern, warum Tannen Blättern haben. Um diese Unstimmigkeit zu entschlüsseln müßte man noch wissen, daß es ein Teil des Weihnachtsliedes ist und für die Zwecke des Liedestextes zusammengestellt. Dieser Satz könnte auch ein Paßwort sein, um eine von unzähligen Nuklearraketen zu starten. Man könnte sagen, daß diese Information regelrecht Interpretationsschichten hat. Die ersten Schichten nehmen wir für selbstverständlich, aber die fehlen eben beim Komputern (s.g impliziter Kanal der Kommunkation). In Wirklichkeit beinhaltet der Satz implizit ungeheure Menge an Information, die es erstmals verständlich machen kann. Und das ist auch das größte Problem des Internets. Es hat im engen Sinne keine Information sondern Daten, die er auf verschiedene (unkontrollierte) weise verarbeiten kann. Wobei Verarbeiten meist Vervielfälltigen heißt. Das personifizierte Internet versteht nichts und das wird sich auch nicht ändern, wenn man weitere 5 Millionen Komputer an Internet anschließt. Und darum sind die Informationen/Daten im Internet doppelt und mehrfach vorhanden unvollständig und nicht zusammenhängend. Wir müssen daraus selber etwas aus der Datenflut aussuchen und die Information entsteht erst in unseren Köpfen. Mit diesem "Aussuchen" scheitert der Internet.

Zurück zur Überinformation. Der Mensch hat sich genetisch seit Hunderttausenden Jahren nicht verändert. Man weißt nicht warum die evolutionäre Weiterentwicklung des Menschen stehengeblieben ist. Folgerung: Der Höhlenmensch, der die Bären mit verkohltem Holz in seiner Höhle zeichnete, hatte die gleiche mentale Kapazität wie ein heutiger C++ Programmierer. (Nichts gegen C++ Programmierer). Trotzdem sind früher keine C++ Programme entstanden. Das einzige was sich geändert hat, ist die Kultur und es ist sicher, daß auch ein Höhlenmensch C++ Programme schreiben könnte, wenn er heute aufgewachsen wäre. Man kann annehmen, daß die Informationsverarbeitung- und Aufnahmekapäzität seit Hunderttausenden Jahren bei Menschen gleich geblieben ist. Wie werden wir aber mit dem täglichen Inforamationsflut, was jedem täglich zutrifft, fertig, wenn wir doch eigentlich nicht dafür konstruiert wurden. Klar ist doch, daß ein Höhlenmensch weniger Information verarbeiten müßte, wenn er z.b. auf die Jagd ging als ein gegewartiges Kind, das sich Zeichentrickfilme in TV ansieht. (Verarbeitung von optischen Reizen nimmt das Gehirn am meisten in Anspruch). Die Psychologen nennen es Selektion. Was wir an Information nicht verarbeiten können, nehmen wir auch nicht wahr. Leider können wir diese Selektion nicht bewußt steuern. Wenn man weitere Phänomene der menschlichen Wahrnehmung und Erinnerung betrachtet, wird einem klar warum ein Durchschnittsmensch zwei negative Zahlen nicht multiplizieren kann aber doch 50 Werbenamen kennt. Wir werden mit Informationen überschüttet die wir gar nicht brauchen können. Die Ära der Masseninformation hat zuerst primär zu Massenverblödung geführt. Kann Internet das ändern, wenn er doch in diesem Sinne noch mehr Unheil anrichtet. Man kann hier ein Einwand haben, daß wir doch auswählen können, was wir uns an Informationen aussuchen wollen. Das stimmt nur teilweise und sollte bei TV auch gehen. Ich glaube, daß Werbeagenturen immer einen Weg finden flächendeckend alle zu informieren, daß irgendwas unbedingt zu kaufen ist.

Das Internet sollte zu seiner Anfängen grundsätzlich wissenschaftliche Arbeit voran treiben. Es soll dem Prozeß der Spezialisierung in der Wissenschaft entgegenwirken, und den einzelnen Spezialisten sich zu gruppieren und effektiv zu arbeiten helfen. Wenn Spezialisierung heiß immer mehr wissen über immer weniger, weiß man am Ende absolut alles über gar nichts. Es ist in dem Sinne keine Kritik der heutigen Wissenschaft. Es ist nur eine Tatsache, daß die moderne Wissenschaft so komplex geworden ist, daß einen einzelnen unmöglich ist einen Durchblick zu bewahren, auch wenn er ein Genie ist. (Man probiert es auch zu lösen durch Schaffung der sog. interdisziplinären Fakultäten; Übersetzer zwischen verschiednnen Fächern). Es gibt heute keine hervorsagenden Wissenschaftler sondern immer mehr Gruppen von Wissenschaftler sogar ganze Institute. Internet sollte alle Wissenschaftler zu einer Gruppe machen. Der Gedankenaustausch würde pernament und augenblicklich. Leider ist es nicht so, daß eine Gruppe von 100 Wissenschaftler mehr leisten könnte als eine Gruppe von 10 Wissenschaftler (mit gleichen wissenschaftlichem Niveau). Leider gelten bei Intelligenz und Wissen die Gesetze der Arithmetik nicht. Je mehr Wissenschaftler da sind, steigen die Komunikationsprobleme (auch sozialer Natur) so, daß eine produktive Arbeit unmöglich ist. Ob es das Ende der Wissenschaft ist? Es gibt im Internet gute Beispiele der wissenschaftlicher Zusammenarbeit, meinst sind das aber End zu End Kontakte, die man gleich gut mit anderen Kommunikationsmittel bewerkstelligen könnte. Jetzt ist es aber dazu gekommen, daß es weniger Mühe macht etwas neu zu erfinden oder zu untersuchen als in Internet danach zu suchen, ob das jemand schon gemacht hat. Die Güte den in Internet publizierten Arbeiten läßt auch viel zu wünschen. Früher, wenn etwas publiziert wurde, hat man sich zuerst überlegt (zumindest der Verleger), ob es mehr Wert hat als das Papier auf dem es erschienen sollte. Es gab dadurch eine positive Zensur (Vorselektion). Man traf seltener unsinnige Arbeiten wie man es jetzt in Internet tun kann.

Das Internet als wissenschaftliches Medium ist eine Wunschsache. Leider ist der größte Nachteil des Kapitalismus, daß man alles, jede Idee, kurzfristig mit Geld bewertet und unbedingt kommerziell Nutzen will. Man braucht nur zu schauen nach welchen Begriffen in Internet gesucht wird. (Suchserver fireball.de bittet solche Möglichkeit.. hier bewußt kein Link). Über die Hälfte der Begriffe haben etwas mit Sex zu tun. Es scheint, daß auch die Interessen der Leute sich auch seit Hunderttausenden nicht geändert haben. Das Internet wird nicht dazu verwendet wozu es geschaffen wurde. Es ist laut der statistischen Untersuchungen, auch keine Nebenerscheinung. Man könnte hier argumentieren, daß Internet eben alles das beinhaltet (mit gleichen Verhältnissen) was eine realle Welt hat. Aber es besteht ein Unterschied, wenn man in eine Buchhandlung geht und nach einem Buch über sexuellen Praktiken mit besonderer Berücksichtigung der P_ädophile fragt und wenn man ganz anonym vom Komputer ein paar Tasten drückt. Es besteht hier ganz andere Hemmschwelle (Gut, daß die Leute noch so etwas besitzen).

Ein aufmerksamer Leser wird hier vorwerfen, warum der Autor dieses Textes selber in Internet etwas publiziert, wenn er dadurch nur die Überinformation verschlimmert. Zuerst vermute ich, daß etwas in Internet zu publizieren das gleiche ist, als ob man es in den Abfalleimer werfen würde. Als weiteres bin ich nicht der Ansicht, daß man die Technologieentwickung stoppen oder umkehren kann. Es wäre nicht nur vergeblich aber auch nicht wünschenswert. Die Menschheit kann sich nicht erlauben "zurück zur Natur" gehen. Erstmal sind wir zu viele, zweitens zu verteilen gibt es immer weniger. Man sollte es der Technologie das Beste machen und versuchen weit in die Zukunft zu blicken, wenn man irgend eine Zukunft noch haben will. Die obigen Gedanken stammen oder sind angespornt von Stanislaw Lem, dessen Lektüre ich herzlich empfehle.

Artur Trzewik, Essen 1998


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