Die Forschung des Ameisenlebens hat ziemlich viele Aspekte der Organisation aufgedeckt. Die Informationen werden im Form von Botstoffen ausgetauscht oder durch antasten von Fühler. Dabei gibt es keine direkten Empfänger der Information. Eine Ameise, die z.B. etwas eßbares gefunden hat, setzt ein spezielles Botstoff (eine chemische Substanz) aus und wandert in der Richtung Kolonie. Die anderen Ameisen entdecken, diese Substanz zufällig und handeln je nach der Intensität des Botstoffes. Sie folgen der chemischen Spur und setzten vielleicht eigene Botstoffen hinzu, wenn sie erfolgreich etwas gefunden haben. Erstaunlich ist hier die feine Koordination, warum gehen nicht alle Ameisen der chemischen Spur nach, wie erkennt sie die Richtung zum Eßbaren, oder wie kommt sie mit mehreren Duftspuren klar. Auf ähnliche Weise können die Ameisen auch den kürzesten Weg zwischen zwei Punkten finden. Ein Problem, das bis heute von Informatik nicht genügend gelöst wurde. Bei solchen einfachen Problemen, kann man die Funktionsweise von Botstoffen noch gut nachvollziehen. Wie "entscheiden" aber die Ameisen, daß sie für ihre Kolonie einen neuen Platz finden müssen, weil der alte vielleicht zu naß ist? Welche Ameise unter den Krieger-Ameisen gibt den Befehl zum Eingriff auf Farmer-Ameisen. Die Forscher vermuten, daß auch das mit Hilfe von Bootsstoffen geschieht. Es ist erstaunlich, wie eine Ja/Nein-Entscheidung mit Hilfe von Botstoffen realisiert wird, wobei die Botstoffen von jeder Ameise ausgesetzt und wahrgenommen werden können. Es scheint, daß solcher Prozeß nicht deterministisch ist. Die Entscheidung erfolgt ähnlich wie sich eine Lawine losläßt. Man kann sie nur mit Wahrscheinlichkeiten messen und vorhersagen. Die Ameisenkönigin hat keine zentrale Koordinationsrolle und in der Organisation keine Sonderstellung. Ihre Wichtigkeit hängt nur mit ihrer Funktion, Eierlegen.
Man kann annehmen, daß Ameisen eine Reihe von Botstoffen aussetzen und wahrnehmen können. Nimmt eine Ameise ein Botstoff wahr, handelt sie nach festgeschrieben regeln, z.B. abhängig von früher aufgenommenen Stoffen (Gedächtnisfunktion), bestimmten Prioritäten. Die Rolle des Zufalls ist hier auch nicht zu übersehen. Wahrscheinlich reagieren auch nicht alle Ameisen gleich bei sonst gleichen Voraussetzungen. Bestimmte Fähigkeiten sind bereits in jeder Ameise festprogramiert. Die Farmer Ameisen können keine Kriger-Ameisen werden. Die komplexen Fähigkeiten schweben aber zuerst in der Luft und treten auf nur "zwischen" den Ameisen als Duftspuren. Für einen Informatiker unvorstellbar, daß viele homogene einfache Dinger eine Komplexität schaffen. Als nächstes probiere ich die Informationsflüße einer Unternehmung aufzudecken und mit der Ameisenarbeitsweise zu vergleichen.
Das wichtigste Merkmal einer Organisation sind die Informationsflüsse. Zuerst muß von einen primärer und einen sekundärer Informationsfluß unterschieden werden. Der primäre Informationsfluß ist "bewußt" gewollt und in Organisationsdiagramm festgeschrieben. Mit ihm beschäftigen sich Horden von Betriebswirten und Wirtschaftsinformatiker. Die Theorie lernt ihn zu beschreiben, modellieren und optimieren. Oft wir er als einzig wichtige Kommunikationsweise betrachten, das einer Unternehmung nutzt. Die andere Informationswege in der Unternehmung fallen oft unter soziale Kontakte und werden vernachlässigt und als wirtschaftlich unwichtig oder sogar schädlich angesehen. Um die Arbeitsweise der Unternehmung zu verbessern, wird der primäre Informationsfluß untersucht. Dabei gibt es zwei Wege: der "amerikanische" probiert aus Zielen und Prozessen der Unternehmung die optimale Informationsflüße abzuleiten, ohne auf die bestehende Struktur Rücksicht zu nehmen. Der "deutsche" Weg versucht durch eine Ist-Aufnahme die aktuelle Informationsstruktur festzustellen und durch Modellbildung die Verbesserungen zu erreichen. So weit die Theorie. In der Wirklichkeit (Praxis) stellt sich oft heraus, daß der primäre Informationsfluß unzureichend ist, damit die Unternehmung überhaupt funktioniert. Bereits die Ist-Aufnahme der Informationsstruktur stoßt auf die Grenzen des Unmöglichen. Wer das nicht glaubt sollte einen beliebigen Beschäftigten fragen, womit es überhaupt so beschäftigt ist. Die Antwort ist so knapp, daß es oft ein Grund für sofortige Entlassung wäre. Bei Management sind die Angaben noch knapper und abstrakter. Außer ein paar Begriffen wie Kontrollieren, Organisieren, Planen fällt ihnen nichts ein (Tätigkeiten, die übrigens jedes Management macht). Was und wie sie es machen und vor allen wozu, bleibt es im Verborgenen. Die Organigramme sind unklar. Vor allem die Betriebswirte haben die Neigung eine Unternehmung als eine Menge von Kreisen und doppeltgerichteten Pfeilen symbolisch darzustellen. Irgendwie steht alles zu jedem in Beziehung. Was aber genau ein Pfeil bedeutet ist unklar und die Frage danach könnte ein Vorwurf der Ignoranz nach sich ziehen. Das muß man eben als BWL-er im Gefühl haben. Wenn man aber als ein Neuling in eine Unternehmung eingeworfen wird, erfährt man mehr über die Funktionsweise der Firma, wenn man den Klatsch in der Cafeteria mithört, als wenn man die Dokumente des Management studiert. Man benutzt hier sehr effektiv den sekundären Informationsfluß. Die Abhängigkeiten und Beziehungen zwischen einzelnen Unternehmungsobjekten werden allmählich klarer, wenn man weißt, daß ein Mitarbeiter ein enger Freund des Bereichsleiters ist. Die Marketingabteilung wird von der Frau des Chefs geleitet. Der Mann ohne Aufgaben aber mit den Büro auf der Chefetage, dar wahllos durch die Gänge schlurft, hat "Spionageaufträge ". Eine klare Durchbrechung der Organisationsstruktur. Am besten untersucht man die Entstehungsgeschichte der Unternehmung, manche Konstrukte mit schwungvollen englischen Bezeichnungen lassen sich nur evolutionär erklären. Jede Sekretärin betreut auf den ersten Blick nur die Termine des Chefs und macht ab und zu den Kaffee. Neben diesen primär Funktionen hat aber eine Sekretärin auch andere Tätigkeitsfelder, die sie zu wahrer Macht in der Unternehmung aufsteigen läßt. Ihre Bedeutung für die sekundären Kommunikationswege einer Unternehmung ist zentral. Sie weißt es, welche Laune der Chef hat und ob der letzte Kunde auf das Land gezogen werden konnte. Wer gut mit der Sekretärin lebt, dem steht fast nichts im Wege. Auch gute erfahrene Manager wissen die Bedeutung des sekundären Informationsflusses zu schätzen. Die Cafeteria, Betriebsfeier, Betriebsausflüge und Sportgruppen dienen gerade dazu. Man nennt es auch elegant "Unternehmenskultur". Es könnte auch ein Grund dafür sein, warum vielleicht Telearbeit nicht so gefordert wird wie man es erwartet hätte. Menschen sind soziale Wesen, sie arbeiten viel besser, wenn sie sich riechen können. Heute wird die Teamfähigkeit bei dem Bewerber gefragt. Das heißt nicht, daß man unterwürfig anpassugswillig sein sollte aber die Individualisten sollten nicht nach der ersten Auseinandersetzung seinen Anwalt mit einem Job erfreuen. Sozialverstörte Einzelkinder aus gebrochenen Ehen und psychisch unausgewogene "Karrierefrauen" sind ein Schrecken für jede Unternehmung.
Der primäre Kommunikationsweg wird oft zu einem Qualitätsmerkmal einer Unternehmung. Der Erfolg der ISO-9000 Zertifizierungsgruppe könnte ein Beweis dafür sein. Für mich ist aber diese Zertifizierung nur ein Anzeichen dafür, daß die Unternehmung nichts besseres zu tun hat als sich mit sich selber zu beschäftigen. Der Aufwand solcher Zertifizierungen ist enorm. Zum Glück nehmen viele Unternehmungen solche Zertifizierungen nur als ein Marketingmittel wahr. Es gibt bereit viele teure Beratungsfirmen, die gute "Kontakte" zu ISO Prüfer haben und so durch eine "legale Bestechung" zur Zertifizierung gelangen. Es gibt bereits Dutzende ISO-Unternehmungen, die mit doppelt Geschwindigkeit den Bach runter gegangen sind. Die Stimmung unter Putzfrauen kann mehr über eine Unternehmung aussagen als irgendwelche Zertifikate. Es ist erstaunlich wie wichtig die Stimmung unter den Mitarbeiter ist. Oft merken die einfachen Arbeiter schneller, daß etwas nicht in Ordnung ist als Management selbst. Für einen Manager, der aus der Krise helfen soll ist die erste und schwierigste Aufgabe die Mitarbeiter bei der Laune zu halten. Die "gute" Presse kann man leicht täuschen oder einfach kaufen.
Welche Bedeutung haben diese Implikationen auf die Arbeit von Wirtschaftsinformatiker. Sie haben die Aufgabe durch Einsatz von Komputer die Kommunikation in einer Unternehmung zu optimieren, beschleunigen und transparent zu machen. Nach 20 Jahren Praxis kann man nicht von Erfolgen sprechen. Die Kommunikationssysteme werden oft eingesetzt aber ihre Wirtschaftlichkeit ist nicht bewiesen. Oft verursachen sie nur zusätzliche Kosten und stellen großes Risikopotential dar, ohne merklich nützlich zu sein. Gerade die technischen Lösungen verursachen das Gegenteil des Gewollten. Statt Flexibilität verschaffen sie starre unübersichtliche Informationsmonster. Bei Außenstehenden stoßt solcher "Fortschritt" auf Ablehnung, für sie dient der Komputer zuerst dazu, die Arbeit schneller zu erledigen, die man ohne ihm nicht hätte. Ganze Abteilungen haben so viel Arbeit mit sich selber, daß sie gar nicht anderes zu machen vermöchten. Die Entwicklung von computisierten Informationssystemen boomt gerade, aber es hat dem Anschein, daß es durch naives Management und falsches Qualitätsempfinden verursacht wird. Die SAP muß bereits mit Klagen der Unternehmungen kämpfen, dessen Ruin sie angeblich beigefügt hat.
Die Schwierigkeiten, die man bei Komputerisieren der Informationsstrukturen hat, stammen aus vielen Quellen. Vor allen entwickelten die Systeme zuerst reine Informatiker. Sie neigen aber dazu die Methoden der Softwareentwicklung auf eine Unternehmung zu übertragen. Der zweite Grund hängt mit der Auffassungsgabe der Menschen. Obwohl das Gehirn parallel arbeitet, kann der Mensch komplizierte Aufgaben nur sequentiell bearbeiten, die Prozesse einer Unternehmung sind aber parallel. Sie werden bei der Modellierung "flachgeklopft" und determinisiert (deterministisch gemacht), Der dritte Grund hängt mit den zweiten zusammen. Es werden nur die primäre Komunikationsflüsse berücksichtigt. Die sekundäre Kommunikation entsteht evolutionär mit der Unternehmung, ist nicht deterministisch und verlauft parallel. Er setzt sich aus einer Menge von kleine Informationseinheiten besteht, die weder zentral gespeichert noch gesteuert werden, oft keinen direkten Emitenten und genauen Rezipienten hat. Solche Kommunitkationsflüsse werden bei der Modellierung nicht beachtet. Das genau ähnelt der Organisation der Ameisen. Kleine Botschaften, die Stimmung und danach Reaktion erzeugen. Wie müßte der Informationslandschaft aussehen um sekundären Informationsfluß gerecht zu werden. Zuerst muß sie evolutionär sein, also offenes Netzwerk. Zweiten: bereits vorprogrammiert, also wie Ameisen mußten die Systeme eine Menge von Botschaften bearbeiten und verstehen können. Das bedeutet die breite Standardisierung der Schnittstellen. Nicht nur der Zugang aber auch die Metaebene der Information muß standardisiert werden. XML-Format und Datenbanken der zweiten Generation sind die Entwicklungen in diese Richtung. Die Information muß verteilt gespeichert und verarbeitet werden. Eine gewisse Inkonsequenz und Redundanz muß als normal vorausgesetzt werden. Die Systeme müßten fehlertolerant und zufallsfähig sein. Client-Server Systeme, obwohl besser als Zentralrechner, genügen nicht. Eine Menge von gleichberechtigten selbstähnlichen Einheiten muß einfach interagieren. Ein Fraktalunternehmen oder Netzwerkunternehmen wäre das Ergebnis. Auch die Datenstruktur und Repräsentation für jede Einheit müßte einheitlich sein. Relationale Datenbanken sind dafür nicht geeignet. Um sie erfolgreich auszulesen, muß man die Struktur der Information kennen. Die Datenbanken müßten netzwerk-semantisch aufgebaut werden (Neuronenähnlich).
Solche Struktur ist sicherlich schwerste Programmierarbeit und gegen die traditionellen Tendenzen, entspricht aber der natürlichen menschlichen Organisation.
Last modified: Sun Jun 15 11:41:04 CEST 2003